Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten?

Hans SCHAFRANEK: Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten? Biografische Studien zu NSDAP-Kreisleitern, SA und SS (= Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich, Bd. 42. Hrsg. Verein für Landeskunde von Niederösterreich). St. Pölten 2020, 160 Seiten (Hardcover). ISBN 978-3-901234-35-4. € 24,00

Das vorliegende Buch widmet sich erstmals ausführlich der Täter-Geschichte des Nationalsozialismus in Niederösterreich. Anhand von 58 Biografien untersucht der Autor drei Gruppen von NS-Tätern: niederösterreichische SS-Angehörige, von denen manche in schwerste Kriegsverbrechen verstrickt waren; NSDAP-Kreisleiter, die vor allem gegen Kriegsende eine erhebliche Machtfülle innehatten, und höhere SA-Führer im Rahmen der sogenannten „Österreichischen Legion“. Die Auswertung biografischer Eckdaten zu 1.600 SA-Angehörigen liefert neue Erkenntnisse zur Berufs- und Altersstruktur sowie zu den Hochburgen niederösterreichischer Nationalsozialisten vor 1938.

MEDIENECHO

„Der Autor, Hans Schafranek, Jahrgang 1951, ist seit vielen Jahren eine bekannte Größe in der österreichischen Zeitgeschichtsforschung und zeichnet sich durch fundierte Quellen- und Sachkenntnis aus. Seine Schwerpunkte liegen auf der vergleichenden Diktaturforschung, Stalinismus, Nationalsozialismus, antifaschistischem Widerstand und Nachrichtendienste im Zweiten Weltkrieg. (…) Die faktenreichen biografischen Abrisse von insgesamt 18 SA-Führern aus Niederösterreich, die in der Legion führende Funktionen innehatten, basieren hauptsächlich auf den NS-Personalakten (Bundesarchiv Berlin), den Akten der nach 1945 zur Ahndung von NS-Straftaten geschaffenen Volksgerichte (Wiener Stadt- und Landesarchiv u. a. Landesarchive), den Gauakten (Österreichisches Staatsarchiv) sowie der hin und wieder vorhandenen Fachliteratur. Dieselben Quellen standen auch für die im zweiten Teil präsentierten, verhältnismäßig umfangreichen und zum Teil je nach Quellenlage recht ‚dicht‘ erzählten Biografien von 22 niederösterreichischen NSDAP-Kreisleitern zur Verfügung. Bei diesem Abschnitt handelt es sich zweifellos um das Kernstück der vorliegenden Arbeit. In seinen Vorbemerkungen arbeitet Schafranek anschaulich die heterogene Alters- und Sozialstruktur dieser sehr stabilen mittleren Ebene an Parteiführern heraus, die in ihrem regional begrenzten Rahmen über eine bemerkenswerte Machtfülle verfügten und sich eine starke ‚Hausmacht‘ aufgebaut hatten.“
Kurt Bauer, H-Soz-Kult, 4.5.2021

„Der Historiker Hans Schafranek machte sich im Auftrag des NÖ Landesarchivs auf die Suche nach den Biografien der Kreisleiter und wurde dabei im Berliner Bundesarchiv fündig (…). In Berlin stieß er zudem auf SA-Personalakten, die auch die Laufbahnen der 1.605 Angehörigen der ‚Österreichischen Legion‘ aus Niederösterreich beinhalten. Hier zeigt sich, dass neben der berüchtigten Nazi-Hochburg Krems auch Waidhofen/Ybbs ein Hort des Nationalsozialismus war. Schafranek erklärt das mit einem tief verankerten Antisemitismus, der hier bereits im 19.Jahrhundert salonfähig geworden war“.
Daniel Lohninger, NÖN, 6.1.2021

„Besonders interessant erscheint der Abschnitt über die Kreisleiter (…), da hier fast vollständiges Neuland betreten wird. Im Fall dieser Tätergruppe ist für den Zeitraum vor und nach dem ‚Anschluss‘ eine sehr starke personell-funktionale Kontinuität festzustellen, d. h., eine beträchtliche Anzahl der untersuchten NS-Funktionäre übte bereits in der Illegalität die Funktion eines Bezirks- oder Kreisleiters aus. Die Kreisleiter verfügten somit in dem von ihnen beherrschten Territorium zudem über eine sehr starke „Hausmacht“ bzw. konnten diese nach 1938 erheblich ausbauen. Da sie die NSDAP-Ortsgruppenleiter ernannten und nach oben ständig mit dem Gauleiter kooperierten, hatten sie eine überaus wichtige und weit nach unten reichende Kontrollfunktion inne. Schafranek betont weiters einen erheblichen Machtzuwachs, der ihnen durch einen Erlass des Gauleiters Jury im Februar 1945 erwuchs: Als Verteidigungskommissare übten sie in ihren Kreisen die höchste Gerichtsbarkeit aus und konnten Standgerichte einrichten. Viele Kriegsendverbrechen gingen auf das Konto von NSDAP-Kreisleitern im Kontext dieser als Standgerichtsurteile kaschierten Morde.“
Andrea Hurton, DÖW Mitteilungen, Folge 245, Dezember 2020, S. 9–11.

RADIOBEITRÄGE UND ORF-INTERVIEW (online)

Die „Illegalen“ von Niederösterreich. Ulrike Schmitzer/Hans Schafranek, orf.science.at, 16.11.2020

Radiokolleg, 16.11.2020, 9.05 h.