Widerstand und Verrat

Hans SCHAFRANEK: Widerstand und Verrat. Gestapospitzel im antifaschistischen Untergrund 1938–1945. Czernin-Verlag, Wien 2017, 2. Auflage Wien 2020,  504 Seiten (Hardcover). ISBN 978-3-7076-0622-5. € 29,90

Widerstand und Verrat waren in der NS-Ära unauflöslich miteinander verknüpft. Der Gestapo gelang es, zwischen 1938 und 1945 Widerstandsgruppen aus sämtlichen politischen Lagern aufzuspüren, zu unterwandern und zu zerschlagen. Dies war nur durch den systematischen Einsatz von Spitzeln möglich. Auf der Grundlage langjähriger Recherchen in österreichischen, deutschen und russischen Archiven dokumentiert und analysiert Hans Schafranek die immense und lange Zeit unterschätzte Bedeutung von V-Leuten. Entstanden ist ein bahnbrechendes Werk über einen bislang unerforschten Teil der NS-Geschichte.

MEDIENECHO

„Der Umgang der Nachkriegsgesellschaft mit diesem dunklen Kapitel wäre eine eigene Untersuchung wert. Zwar zählte das Wissen um die Einschleusung von Spitzeln in Widerstandsgruppen zur zeitgeschichtlichen Allgemeinbildung, aber es blieb doch eher an der Oberfläche haften und eine in die Tiefe gehende historische Aufarbeitung, die auch Strukturen und Mechanismen seziert, ist ausgeblieben. Vielleicht war es auch eine gewisse Scham bei überlebenden Widerstandskämpfern, solch abgrundtiefem Verrat zum Opfer gefallen zu sein, die eher bremsend gewirkt hat. Umso größer ist das Verdienst von Hans Schafranek zu bewerten, mit dieser grundlegenden Studie eine Pionierarbeit vorgelegt zu haben“.
Heimo Gruber, Zwischenwelt. Literatur/Widerstand/Exil, Nr. 4, Dezember 2020

„Schafranek entdeckte bei seinen langjährigen Forschungen, dass sich die Gestapo nicht damit ‚begnügte‘, in bereits bestehende Widerstandszirkel einzudringen. Im April 1942 konstituierte sich das so genannte ‚Vierte Zentralkomitee der KPÖ‘ (nach dem ‚Anschluss‘ 1938), das aus drei Gestapo-Spitzeln und fünf ‚echten‘, arglosen KP-Sympathisanten bestand, sodass der NS-Repressionsapparat a l l e Aktivitäten dieses Leitungsgremiums von Beginn an steuern konnte. Die Zerschlagung der von diesem ‚Fake-ZK‘ geschaffenen Organisationsstrukturen (Wien, Niederösterreich, Steiermark) zog mehrere Verhaftungswellen nach sich, die bis Herbst 1943 annähernd 1.500 Personen umfassten. (….) Die hier besprochene Studie ist nicht nur eine wertvolle Bereicherung der zeitgeschichtlichen Forschung in einem bisher stark vernachlässigten Bereich, sondern gleichzeitig auch ein Lehrstück über menschliche Niedertracht in einem totalitären Regime“.
Andrea Hurton, haGalil.com, 29.1.2020

„Schafraneks Buch wird in der Forschung Diskussionen auslösen. (….) Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Autor eine tief schürfende Analyse vorgelegt hat. Die Intensität der dennoch nüchternen Auseinandersetzung mit den Motiven der V-Leute ist  anhand der Fülle und Vielfalt der über einen langen Zeitraum zusammengetragenen Quellen in jeder Zeile spürbar. Die weit über den Kontext der NS-Forschung hinausweisenden Gedanken zum Spitzelwesen und den ihm zugrunde liegenden Motiven werden künftige Forschungen befruchten“. 
Maximilian Graf, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin, Nr. 4 / 2018

„Das hohe Niveau, das man hinsichtlich Quellenarbeit, Beweisführung und Thesenbildung von Schafranek gewohnt ist, hat er mit Widerstand und Verrat noch übertroffen. (…). Obwohl es vor wie nach 1945 mithin nicht an Bestrebungen mangelte, die Identität der Verräter zu verschleiern bzw. jene, die es wissen wollten, gezielt in die Irre zu führen (von den Vernebelungsstrategien ertappter Spitzel während der Nachkriegszeit ganz abgesehen), demonstriert Schafranek überaus beeindruckend und nachvollziehbar, wie der Historiker noch Jahrzehnte später Erkenntnisse erlangen kann, indem er akribisch Quellen sammelt und deren oft lediglich bruchstückhafte Hinweise wie bei einem Puzzle Stück für Stück zu einem halbwegs geschlossenen Bild zusammensetzt. Immer wieder lässt der Autor seine Leser an seinen Überlegungen und Kombinationen teilnehmen. Sein stufenweises Vorgehen – von der Quellensichtung und -bewertung bis zur schlüssigen Beweisführung – eignet sich trefflich, um Studierenden des Fachs Geschichte das methodische Handwerkszeug des Historikers nahezubringen. Schafranek vermittelt nicht zuletzt, was der Historiker vorweg benötigt: gesunden Menschenverstand und die Fähigkeit, sich in eine ihm extrem fremde Umgebung zu versetzen (…) Auch wenn es abgedroschen klingt: Das Buch liest sich so spannend wie ein Krimi. Diese Feststellung gilt sogar für die theoretischen Passagen. Es bereitet einfach intellektuellen Genuss, dem Verfasser bei seinen nachvollziehbar formulierten Gedankengängen und seiner Bewertung selbst kleinster Indizien zu folgen. Im Zuge der Fallstudien erlebt der Leser beinahe hautnah mit, wie sich die Schlinge um die regelmäßig ahnungslosen Opfer der Spitzel und Verräter immer enger zieht (…). Ein Meisterwerk soliden Forschens und sicherlich für lange Zeit ein maßgebliches Standardwerk zum Thema Verrat im antifaschistischen Widerstand“.
Martin Moll, Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies, No. 2/2017

„Der 1951 in Schärding geborene Historiker ist seit Jahrzehnten ein rastloser Originaldokumente-Sucher und Archiv-Tiefengräber, der sich zugleich um den Brückenschlag von der Vergangenheit zur Gegenwart bemüht.  ‚Polizeispitzel‘, schreibt Schafranek in Widerstand und Verrat, ‚waren keine Erfindung der Gestapo, und sie haben die NS-Ära überdauert‘. Aus mehr als 60 Archiven weltweit hat der selbsternannte ‚Einzelforscher‘ bisher Material für seine Studien zusammengetragen.“
Wolfgang Paterno, profil, 25.1.2018

„(…) Gleich der Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation fiel auch die Uhrig-Gruppe, die nicht nur in Berliner Betrieben aktiv war, sondern Kontakte nach Essen, Hannover, Hildesheim, München und Hamburg sowie nach Prag, Kopenhagen und Tirol unterhielt, einem V-Mann der Gestapo zum Opfer. Darüber berichtet Hans Schafranek in seinem neuen Buch. (…)“
Karlen Vesper, Neues Deutschland, 20.7.2018

„(…) es hat das Zeug zum Standardwerk in einem bislang eher vernachlässigten Themengebiet der Widerstandsforschung.“
Frankfurter Rundschau, 10.11.2017

„Der Autor zeichnet auf der Grundlage umfassender Recherchen – neben österreichischen Archiven insbesondere im Bundesarchiv Berlin und in Moskauer Archiven – ein detailreiches, präzises und erschreckendes Bild der Durchdringung und Zerschlagung großer Teile des österreichischen Widerstandes. (…) Schafraneks Arbeit gleicht streckenweise einem Krimi, wo minutiös eine Fülle von Informationen und Indizien gesammelt, ausgewertet und zu einem plausiblen Gesamtbild zusammengefügt wird. Die lesenswerte Publikation stellt einen wichtigen Beitrag sowohl zur Widerstandsforschung als auch zur Aufarbeitung des NS-Repressionssystems dar.“
Wolfgang Neugebauer, Der Standard, 15.11.2017

„Der Gestapo gelang es auch in Tirol, Widerstandsgruppen zu unterwandern und sie zu zerschlagen. In einem Buch wird dieses Thema nun erstmals umfassend beleuchtet.“
Interview Brigitte Warenski mit Hans Schafranek, Tiroler Tageszeitung, 29.3.2018

„Eine neue Studie rekonstruiert das System an geheimen Zuträgern, mit dem die Nazis in Österreich den Widerstand gegen ihr Regime bekämpften.“
Niko Wahl, Die ZEIT, Nr. 45/2017, 4.11.2017

„Hans Schafranek zeigt in diesem Buch seine Stärke als Historiker: Er hat durch einen hohen Aufwand an Forschung ein zumeist nur am Rande behandeltes Kapitel der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich aufgearbeitet: die Unterwanderung der verschiedenen, im Untergrund gegen das totalitäre Herrschaftssystem arbeitenden Netzwerke durch Agenten des NS-Polizeiapparats. Wie schon in seinen Büchern über den NS-Putsch des Juli 1934 (Sommerfest mit Preisschießen) und über die ‚Österreichische Legion‘ (Söldner für den Anschluss) erweist sich Schafranek als ein Historiker, der hartnäckig ein Detail nach dem anderen erhebt – vor allem aus zumeist unveröffentlichten Dokumenten, um so ein vielschichtiges Gesamtbild zu zeichnen.“
Anton Pelinka, Die Presse, 29.12.2017

„Mit seinem aktuellen Buch vertieft und erweitert Schafranek jahrelang betriebene Forschungen und besiegelt den Abschied ‚von der Vorstellung, die Unterwanderung durch Gestapokonfidenten sei grosso modo ein Spezifikum des kommunistischen Widerstands gewesen‘ (S. 475f.). Stattdessen wird Konfidententum eher als allgemeinmenschliches Phänomen diskutiert, das über das gesamte politische Spektrum verteilt auftrat. (…) Widerstand und Verratist die maßgebliche Studie zu den Spitzeln der Wiener Gestapo und das auf dem Buchumschlag selbstverliehene Prädikat ‚bahnbrechend‘ hat einige Berechtigung. Die große Stärke des Buches sind die konzisen Teilstudien, die auf kriminalistischem Spürsinn, überzeugender quellennaher Darstellung und erfahrungsgesättigter Urteilskraft beruhen.“
Udo Grashoff, H-Soz-Kult, 9.1.2018

RADIOBEITRAG

„Kontext“, Ö1, 29.6.2018, Beitrag von Günter Kaindlstorfer