Ich habe den Tod verdient

Wolfgang MADERTHANER / Hans SCHAFRANEK / Berthold UNFRIED (Hrsg.): „Ich habe den Tod verdient“. Schauprozesse und politische Verfolgung in Mittel- und Osteuropa 1945–1956. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1991, 224 Seiten. ISBN 3-85115-145-3.

Mit dem Zusammenbruch des „realen Sozialismus“ wird seine Geschichte, deren integraler Bestand die „Schauprozesse“ sind, Thema der wissenschaftlichen Forschung ebenso wie Teil der aktuellen politischen Debatte. Zentrales Thema des vorliegenden Bandes ist die Analyse der inneren Logik und der politischen Strukturen der stalinistischen Macht- und Terrorapparate in den Ländern Ost- und Mitteleuropas von der Konstituierung der „Volksdemokraten“ bis zu ihrer vorläufigen Konsolidierung. Weitere Beiträge behandeln die Auswirkungen der Repressionswellen auf Kommunistische Parteien in Westeuropa. Mit Beiträgen von Stefano Bianchini, Lazar Brankov, Jan Foitzik, George Hermann Hodos, Ulrich Heyden, Keith Hitchins, Karel Kaplan, Fritz Keller, Wilfriede Otto, Georg Scheuer, Reiner Tosstorff und Hermann Weber. 

MEDIENECHO

„Der engagierte österreichische Zeitgeschichtler Hans Schafranek (…) hat ungeachtet der von Teilen der KPÖ gegen ihn entfesselten Kampagne (Falter 41/91) am Themenkomplex stalinistische Verbrechen weitergearbeitet und mit Wolfgang Maderthaner und Berthold Unfried vom ‚Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung’ ein Buch über Schauprozesse in Osteuropa 1945–1956 vorgelegt. Bereits unmittelbar nach der Machtübernahme der Stalinisten n den osteuropäischen Satellitenstaaten der Sowjetunion begann eine Welle unglaublicher Repression, weniger gegen Vertreter bürgerlicher Parteien als vielmehr gegen oppositionelle Linke. (…) Die Autoren des Bandes enthüllen dabei nicht nur die perfide Strategie der Stalinisten, sie zeigen auch jene Mechanismen auf, mittels derer es möglich war, dasssich die Angeklagten auch noch selbst besudelten und für sich die Höchststrafe forderten. Ein erschütterndes und gerade darum so notwendiges Werk.“
Andreas Pittler, Falter 46/1991

„(…) Vorgänge, bei denen die Schergen der Kominform in Moskau und der verschiedenen Kommunistischen Parteien in anderen Ländern ihre eigenen Genossen unter durchwegs falschen Beschuldigungen anklagten, aburteilten, einkerkerten und vielfach auch umbrachten. Dabei trat etwas zu Tage, was schon bei den großen politischen Schauprozessen der dreißiger Jahre in Moskau sichtbar geworden war und allen Beobachtern nahezu unerklärlich erschien: Auch die sichtlich Unschuldigen unter den Angeklagten bekannten sich schuldig, übten Selbstkritik und äußerten oft sogar wörtlich oder dem Sinne nach: ‚Ich habe den Tod verdient!’. Daher auch der erwähnte Titel“.
Ernst Glaser, Zukunft, 7/1992

„Trotz dieser scheinbaren Willkür in der Auswahl der Opfer gibt es – und dies ist auch der Tenor der übrigen Beiträge – durchaus einige gemeinsame Kriterien, die bestimmte Personen aufgrund ihrer Vergangenheit, ihres Habitus und ihrer Persönlichkeit für die Rolle des Opfers geradezu prädestinierten:  Westemigranten und Spanienkämpfer eigneten sich besonders für die ihnen zugeschriebene Rolle von ‚Agenten’ der westlichen Geheimdienste; für die Rolle von ‚Gestapo-Spitzeln’ wurden Aktivisten des antifaschistischen Widerstandes und KZ-Häftlinge ausgewählt, deren Überleben als ‚Beweis’ ihrer Schuld gegen sie gerichtet wurde. In der letzten Phase des stalinistischen Terrors erhielten die Prozesse eine zunehmend antisemitische Zielrichtung. (…)  Alles in allem liegt uns mit dem Tagungsband eine Sammlung von kenntnis- und aufschlussreichenStudien vor, die aufgrund der in den letzten Jahren erweiterten Quellenlage durchaus einen Fortschritt in der Stalinismus-Forschung signalisieren.“
Margit Reiter, Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Nr. 3/1992

„Der Sammelband enthält die Beiträge zu einem im November 1990 in Wien vom Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung veranstalteten internationalen Symposium (…). Von besonderem Interesse sind Bianchinis Ausführungen über Jugoslawien, das bisweilen als eine Art Gegenpol gegen den Stalinismus gesehen wird, zutreffender aber als ‚Konkurrenzstalinimus’ (so die Hrsg. in der Einleitung) gesehen werden muss. Auch wenn der Terror zum Teil anders (etwa gegen die Kominform-Anhänger) ausgerichtet war, stand er – als Beispiele seien die sog. Dachauer Prozesse und das Konzentrationslager Goli Otok erwähnt – an Skrupellosigkeit und Brutalität nicht hinter dem in anderen ‚realsozialistischen’ Ländern geführten Kampf von Kommunisten gegen Kommunisten zurück (…). Insgesamt liefert der Band erdrückendes Material für die These, dasszahlreiche kommunistische Spitzenfunktionäre in der Stalinzeit immer weiter von den einstmaligen Ideen abrückten und die in höchste Staatsämter gelangten Repräsentanten der Partei vor keinerlei Verbrechen zurückschreckten, um ihre Machtpositionen zu festigen.“
Wolfgang Ruge, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 41. Jhg., Nr. 2/1993

„Der Band bietet Grundlageninformation zu den Entwicklungen in Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Polen, der DDR, Frankreich, Spanien und Österreich.“
Robert Streibel, Die österreichische Volkshochschule, 164/1992

RADIOBEITRÄGE

RIAS I. Lesezeit – Das Politische Buch, 21.4.1992, 23.00 Uhr

Ö1, „Das Bücherviertel“, 18.9.1992, 21.45 Uhr