Breendonk

Das Fort de Breendonk, etwa auf halbem Weg zwischen Brüssel und Antwerpen gelegen, ist eine monumentale Festungsanlage.

Fort de Breendonk

Sie entstand 1909 als Teil eines militärischen Verteidigungsgürtels zum Schutz der Hafen- und Handelsstadt Antwerpen. Unter Militärstrategen galt er zur Zeit seiner Entstehung als uneinnehmbar.

Der Eroberungsfeldzug der Deutschen in Belgien zu Beginn des Ersten Weltkrieges zerstörte diese Annahme auf dramatische Weise.

Nach der Kapitulation Belgiens im Zweiten Weltkrieg (28. Mai 1940) diente das Fort ab September 1940 als SS-Polizeihaftlager (euphemistisch auch als „SS-Auffanglager“ bezeichnet). Die vorhandenen 14 Kasematten konnten sofort als Gemeinschaftszellen für Häftlinge genutzt werden. Etwa 3.600 Namen von Inhaftierten sind überliefert.

Misshandlungen, Folterungen, Demütigungen waren an der Tagesordnung, die Bezeichnung „Hölle von Breendonk“ findet sich sogar in Dokumenten der deutschen Besatzungsmacht.

Wassergraben Fort de Breendonk

Im Wassergraben, der das Fort umgibt, ertränkten flämische SS-Wachen wiederholt Häftlinge, die sie ins eiskalte Wasser trieben und mit Steinen bewarfen.

Breendonk zählt zu den am besten erhaltenen NS-Lagerkomplexen Europas, fast alle Teile befinden sich weitgehend im ursprünglichen Zustand, etwa die Gemeinschaftszellen (siehe beide Fotos unten links) sowie die 1942 errichtete Folterkammer (siehe Foto unten rechts), die eindrücklich im Essay „Die Tortur“ von Jean Améry (vor 1945 Hans Maier) beschrieben wurde.

Grabstein von Jean Améry

Améry wählte 1978 den Freitod und liegt am Wiener Zentralfriedhof begraben. Auf seinem Grabstein ist die Nummer eingemeißelt, die er in Auschwitz trug.

Dank der außerordentlichen Hilfsbereitschaft von Mitarbeitern des Memorial Breendonk konnte ich 2017 ausgedehnte Archivrecherchen durchführen, obwohl kein eigener Benutzerraum für Besucher vorhanden ist.

Fort de Breendonk

Zu den dafür genutzten Büroräumen der Mitarbeiter gelangt man nur, wenn die vergitterte (Original)-Tür aufgeschlossen wird.

Zu den 32 von mir identifizierten österreichischen Häftlingen zählten auch die Widerstandskämpfer Benno Senzer, Ernst Landau (siehe Foto unten links), Hugo Schönagel (siehe Foto unten rechts) und Bruno Weingast (siehe beide Fotos ganz unten). Siehe dazu Hans Schafranek, In der „Hölle von Breendonk“. Eine Leerstelle der Erinnerungskultur: Österreicher im belgischen SS-Auffanglager Breendonk, in: DÖW Jahrbuch 2019, S. 243-278.

Weiters konnten 85 deutsche Widerstandskämpfer als Breendonk-Häftlinge identifiziert werden. Siehe dazu Hans Schafranek, In der „Hölle von Breendonk“. Opfer – Täter – Kollaborateure. Deutsche in einem belgischen Polizeihaftlager 1940-1944, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG), H. 2/2019, S. 118–138

Unter den Häftlingen befanden sich nur vereinzelt Frauen. Zahlreiche Angehörige der Widerstands- und Spionageorganisation „Rote Kapelle“ (siehe Fotoabschnitt über Brüssel, Rue des Atrébates) waren in Breendonk inhaftiert, einige wurden dort ermordet. 

Das Lager wurde am 4. September 1944 von britischen Truppen befreit. Der größte belgische Kriegsverbrecherprozess (1946) war dem Komplex Breendonk gewidmet. Von den 24 Angeklagten, vor allem flämischen SS-Leuten und Häftlingskollaborateuren, wurden 16 zum Tod verurteilt, zwei davon in Abwesenheit.

Am 12. April 1947 erfolgte die Vollstreckung von zwölf Todesurteilen, darunter befand sich auch der wegen zehnfachen Mordes verurteilte österreichische Funktionshäftling Walter Obler (siehe Foto links oben).

Otto Gramann Dauerausstellung Fort de Breendonk

Einer der wichtigsten Zeugen bei diesem Prozess war der aus Wien stammende frühere Wehrmachtsgeistliche Otto Gramann (siehe Foto links), der den im SS-Polizeihaftlager zum Tod verurteilten Widerstandskämpfern letzten Beistand leistete. 

Zu Breendonk insgesamt ist folgende Publikation empfehlenswert: Patrick Nefors, Breendonk 1940–1945, Brüssel 2005.

FotoreiheSpurensuche Breendonk

Hier sehen Sie die Fotoreihe zu meinen beiden Forschungsreisen in den Jahren 2015 und 2017.

  • Lageplan von Fort de Breendonk
    Foto: Hans Schafranek