Jüdisches Museum
Das Jüdische Museum befindet sich seit 2005 in der Rue des Minimes/Miniemenstraat 21 im vornehmen Brüsseler Stadtteil Sablon/Zavel. Das 1901 errichtete Gebäude diente zwischen den beiden Weltkriegen unter anderem als Filiale des Militärgerichts. Nach der deutschen Besetzung 1940 zog die Geheime Feldpolizei ein, im Keller wurden zeitweilig Studenten und Demonstranten festgehalten.
Bei einem radikal-islamischen Anschlag am 24. Mai 2014 wurden vier Menschen ermordet: ein israelisches Ehepaar, eine französische Praktikantin und ein belgischer Museumsangestellter.
Der Täter konnte zu Fuß flüchten, wurde jedoch sechs Tage später in Marseille festgenommen. Es handelte sich um einen Franzosen, der sich 2013 den Dschihadisten in Syrien angeschlossen hatte. Er wurde im März 2019 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.
Avenue Louise 453
In diesem Gebäude befand sich von 1940 bis 1944 der Sitz der SIP0/SD (Sicherheitspolizei/Sicherheitsdienst). Am 20. Jänner 1943 unternahm Jean Michel de Selys Longchamps gegen diese Zentrale des Naziterrors in Belgien eine tollkühne Einzelaktion.
Der belgische Aristokrat, seit 1940 in Großbritannien und Angehöriger der Royal Air Force, griff im Alleingang mit einem Jagdflugzeug im Tiefflug das SIPO-Hauptquartier an, wodurch vier Nazis getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden.
Selys Longchamps konnte nach England entkommen und wurde für seinen unautorisierten Einsatz rangmäßig degradiert, erhielt jedoch zugleich eine hohe militärische Auszeichnung. Er verunglückte am 16. August 1943 tödlich, als sein Flugzeug bei einer Landung zerschellte.
Molenbeek
Vor Jahrzehnten führte ich zahlreiche lebensgeschichtliche Interviews mit Lotte Brainin (geb. Sontag) durch, die als TA-Aktivistin (TA = Travail Allemand) im Rahmen der so genannten „Mädelarbeit“ gemeinsam mit ihrer Freundin Hertha Ligeti im Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht tätig war.
Das im belgischen Staatsarchiv aufgefundene Dokument ist Teil eines größeren fremdenpolizeilichen Dossiers. Es enthält die Wohnadresse (1939) und zeigt die rigide polizeiliche Überwachung österreichischer ExilantInnen in Belgien auf. Sontag und Ligeti wohnten hier bis 1941.
Das Haus mit der früheren Wohnadresse von Lotte Sontag und Hertha Ligeti liegt unweit der Brüsseler Metrostation Comte de Flandre/Graaf van Vlaanderen im heute stark islamisch geprägten Stadtteil Molenbeek (formal aufgrund der stark föderalistischen Verwaltungsstruktur Brüssels eine eigenständige Gemeinde).
Etterbeek
In der Rue des Atrébates 101 befand sich 1941 eine geheime Funkstation der sowjetischen Spionage- und Widerstandsorganisation „Rote Kapelle“.
Sie wurde von „Kent“ (alias Vicente Sierra alias Petit Chef, richtiger Name: Anatoli Markowitsch Gurewitsch) geleitet, einem sowjetischen GRU-Offizier.
Am 13. Dezember 1941 gelang es dem deutschen Sonderkommando „Rote Kapelle“, die Funkzentrale zu orten und eine Reihe von Kundschaftern und Funkern zu verhaften, darunter „Alamo“ (= Michail Makarow). „Kent“ gelang es zu entkommen, er wurde knapp ein Jahr später verhaftet.
Die Auszüge aus einem der von Hans Coppi (Berlin) freundlicherweise zur Verfügung gestellten Vernehmungsprotokolle (2. Dezember 1942) enthalten Details zu „Kents“ Verbindungen („Otto“ = Leopold Trepper, „Fabrikant“ = Abraham Raichmann, „Bob“ = Hermann Isbutzki) und nehmen Bezug auf die Wohnung in der Rue des Atrébates. Einige von „Kents“ Mitarbeitern wurden im SS-Polizeihaftlager Breendonk interniert und ermordet.
Am 6.10.2002 wurde von einem lokalen Geschichtsverein die Gedenktafel angebracht.
Café des Tramwaymen
Das Maison des Tramwaymen (Rue du Poinçon 18) beherbergte ursprünglich ein Ledergeschäft. Durch ein Darlehen der Profintern (Rote Gewerkschafts-Internationale) gelangte es 1926 in den Besitz der belgischen Straßenbahner-Gewerkschaft und war in den 1930er Jahren Schauplatz zahlreicher kultureller und politischer Veranstaltungen (Teilnehmer u. a. André Malraux).
In den Räumlichkeiten waren Büros der Roten Hilfe, einer Arbeiter-Volkshochschule, eines Arbeitertheaters und anderer linker Institutionen untergebracht. Das dazugehörige Café des Tramwaymen war 1938–1940 ein beliebter Treffpunkt österreichischer und deutscher Exilanten und wurde in den von mir durchgeführten Interviews mit österreichischen WiderstandskämpferInnen wiederholt erwähnt.
Die heutige Fassade weist im Eingangsbereich noch starke Ähnlichkeiten mit der ursprünglichen Gestaltung auf. Auch das heute in der Rue du Poinçon Nr. 18 befindliche „Espace Magh“ ist ein Kulturzentrum.
Saint Gilles
Das Gefängnis in Saint Gilles wurde in den Jahren 1878 bis 1884 erbaut. Die Haftbedingungen verschlechterten sich vor allem unter der deutschen Besatzungsherrschaft im Ersten Weltkrieg, aus dieser Periode sind viele Brutalitäten überliefert. Von 1940 bis 1944 stand Saint Gilles unter Verwaltung der Wehrmacht, zu den Insassen zählten Tausende politische Gefangene.
Eine von ihnen war Régine Krochmal, eine aus den Niederlanden gebürtige Widerstandskämpferin, die der österreichischen TA-Gruppe angehörte; sie erlangte einen größeren Bekanntheitsgrad, weil sie aus dem 20. Deportationstransport (19. April 1943) nach Auschwitz flüchtete. Da das SS-Polizeihaftlager Breendonk über keine Krankenstation verfügte, wurden schwerkranke Häftlinge gelegentlich in das Lazarett von St. Gilles überführt, wo etliche unmittelbar nach der Einlieferung an Unterernährung und Phlegmone verstarben.
Das heutige Untersuchungsgefängnis Saint Gilles geriet in den letzten Jahren wiederholt in die Schlagzeilen, vor allem aufgrund seiner Überbelegung und der damit verbundenen Probleme.
Archives Générales du Royaume, Belgisches Staatsarchiv
Das belgische Staatsarchiv birgt neben vielen anderen Schätzen auch die Akten der belgischen Fremdenpolizei, mit Tausenden Dossiers zu österreichischen und deutschen ExilantInnen vor und nach 1938.
Fotoreihe „Spurensuche Brüssel“
Hier sehen Sie die Fotoreihe zu meinen beiden Forschungsreisen in den Jahren 2015 und 2017.